Doku

wir4kultur | Kultursommer 2021

Rupert Seidl bei seiner Lesung am Spanischen Vallan in Rheinberg: Mal hauchte er die Texte, mal sprach er sie betont und heftig. Foto: Armin Fischer (arfi)
RP Online, 30.12.2021, Rheinberg

Lyrischer Leseabend bei lausigem Wetter Abschluss des Kultursommers 2021 der „Wir 4 Kultur“-Initiative in Rheinberg

Rheinberg Rupert Seidl liest Gottfried Benn bei der Abschlussveranstaltung des Kultursommers 2021 der „Wir 4 Kultur“-Initiative in Rheinberg.

Von Olaf Reifegerste

„Zwischen lausigen Jahren“ hieß ein vierteiliges Leseprogramm, veranstaltet vom Verein Kulturprojekte Niederrhein, mit dem der Schauspieler Rupert Seidl „zwischen den Jahren“ an vier Orten am Niederrhein unterwegs war. Als Lektüre hatte er in Moers Texte von Eugen Roth, in Kamp-Lintfort von Karl Valentin, in Neukirchen-Vluyn von Robert Gernhardt und in Rheinberg von Gottfried Benn dabei.

„Zwischen lausigen Jahren“ hieß ein vierteiliges Leseprogramm, veranstaltet vom Verein Kulturprojekte Niederrhein, mit dem der Schauspieler Rupert Seidl „zwischen den Jahren“ an vier Orten am Niederrhein unterwegs war. Als Lektüre hatte er in Moers Texte von Eugen Roth, in Kamp-Lintfort von Karl Valentin, in Neukirchen-Vluyn von Robert Gernhardt und in Rheinberg von Gottfried Benn dabei.


INFO
Gottfried Benn war Arzt, Dichter und Essayist

Der Autor Gottfried Benn (1886 bis 1956) war ein deutscher Arzt, Dichter und Essayist. Von Beginn an verfasste Benn essayistische, poetisch avantgardistische und autobiographische Prosawerke. Nach 1945 überraschte er die Öffentlichkeit mit dem Roman des Phänotyp. Benns Nachlass liegt im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar und ein kleiner Teil im Archiv der Akademie der Künste Berlin. Teile aus dem Nachlass im Deutschen Literaturarchiv sind im Literaturmuseum der Moderne in Marbach zu sehen.


Als wenn die Corona-Zeiten allein nicht schon „lausig“ genug sind, ein kühles, windiges und regnerisches Wetter am Mittwochabend kam noch hinzu. Umso mehr war es für die trotzende Zuhörerschaft eine Augenweide, wie der umtriebige Rüdiger Eichholtz vom Verein Kulturprojekte Niederrhein und das Autorenpaar Manu Bechert und Renan Cengiz, die den sechseckigen Turm im Rheinberger Stadtpark seit einiger Zeit als Schreibstube und Kreativraum nutzen, den Vallan mit Licht und Feuer sowie ein paar Stehtischen unter zwei aufgestellten Pavillons für eine ansprechende Atmosphäre der Lesung des ehemaligen Moerser Schlosstheater-Intendanten Rupert Seidl sorgten.

Ansprechend, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, hatte auch er, Rupert Seidl, seinen Vortrag inszeniert, indem er nicht an den Buchseiten von Gottfried Benns Gedichtband klebte, sondern des Autors tiefgründige Lyrik allen Besucherinnen und Besuchern förmlich ins Gesicht sprach. Mal hauchte er die Texte, mal sprach er sie betont und heftig, je nachdem wie er sie interpretierte.

Rupert Seidl hat die seltene Fähigkeit, Schrift über Sprache in bildnerisches Sprechen zu verwandeln. Der vielfältige Klang seiner Stimme tut darüber hinaus ein Übriges. Auf diese Weise verschafft er der Literatur zu fast schon darstellerisch-bildhafter Lebendigkeit.

Rupert Seidl selbst hat die vier Autoren seiner kleinen Lesetour ausgewählt. Enthielten die Texte der erstgenannten Dichter vor allem noch „lustige Geschichten“ (Seidl), war der Inhalt der Gedichte von Gottfried Benn (1886 bis 1956) eher „ernster Natur“. Seidl: „Benns Schriften sind geprägt von Melancholie, von starkem Mitgefühl und Empathie.“ Ein solch literarisches Abbild lieferte Seidl vortrefflich mit den 25 ausgewählt vorgetragenen Gedichten, darunter „Mutter“ (1912), „Jena“ (1926), „Astern“ (1935), „Einsamer nie“ (1936), „Chopin“ (1948) und „Reisen“ (1950).

Dass der Abend durchaus auch Humor besaß – wenn auch einen „speziellen“ –, verdeutlichte das Benn-Gedicht „Was schlimm ist“. Dort heißt es: „Bei Hitze ein Bier sehn, das man nicht bezahlen kann. (…) Nicht im Sommer sterben, wenn alles hell ist und die Erde für Spaten leicht.“

(O.R.)